Es ist Mitte Jänner. Bald sind es sechs Monate, seitdem ich meine Schwester das letzte Mal gesehen habe. Bald ist ihr Tod ein halbes Jahr her. Das erschreckt mich. Einerseits kommt es mir lange vor, andererseits ist alles noch so präsent, als ob es gestern gewesen wäre. Die Zeit vergeht und heilt noch keine Wunden.
Kindliche Trauer
Auch bei meinen Kindern ist der Tod ihrer Tante noch allgegenwärtig. Sie reden immer wieder von ihr und sind traurig darüber, dass sie nicht mehr hier ist. Gerade mein ältester Sohn äußert sich immer wieder dazu und offenbart mir damit, wie er mit der Trauer umgeht. Gestern etwa war so ein Moment: Wir spielten draußen. Irgendwann legte er sich gedankenverloren in den meterhohen Schnee. Lange blickte er in den Himmel und studierte die Wolken. Dann hörte ich ihn sagen: „Liebe Tante, bitte spuck‘ doch einmal vom Himmel, damit ich weiß, ob du dort oben bist!“
Irgendwo doch
Ich musste lachen und weinen gleichzeitig. Diese Unbefangenheit berührte mich sehr. Wenn es doch so einfach wäre, dachte ich. Wenn sie sich doch so einfach zeigen könnte! Mein Sohn war enttäuscht, weil nichts passierte und ich versuchte ihm zu erklären, warum das nicht möglich war. Das enttäuschte ihn dann noch mehr und mich dazu. Dann aber zeigte sie sich doch: nachts, in meinen Träumen. Es war ein schöner Traum und erst der zweite seit ihrem Tod. Wir redeten, viel und innig. Auch wenn das Erwachen hart war, wusste ich, dass sie vielleicht doch da oben irgendwo ist …